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Georg Trakl

IM WINTER

Im Winter

Der Acker leuchtet weiß und kalt.Der Himmel ist einsam und ungeheuer.Dohlen kreisen über dem WeiherUnd Jäger steigen nieder vom Wald.

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.Bisweilen schnellt sehr fern ein SchlittenUnd langsam steigt der graue Mond.

Ein Wild verblutet sanft am RainUnd Raben plätschern in blutigen Gossen.Das Rohr bebt gelb und aufgeschossen.Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.

In einem verlassenen Zimmer

Fenster, bunte Blumenbeeten,eine Ogel spielt herein.Schatten tanzen an Tapeten,Wunderlich ein toller Reihn.

Lichterloh die Büsche wehenUnd ein Schwarm von Mücken schwingtFern im Acker Sensen mähenUnd ein altes Wasser singt.

Wessen Atem kommt mich kosen?Schwalben irre Zeichen ziehn.Leise fließt im GrenzenlosenDort das goldne Waldland hin.

Flammen flackern in den Beeten.Wirr verzuckt der tolle ReihnAn den gelblichen Tapeten.Jemand schaut zur Tür herein.

Weihrauch duftet süß und BirneUnd es dämmern Glas und Truh.Langsam beugt die heiße StirneSich den weißen Sternen zu.

Trompeten

Unter verschnittenen Weiden, wo braune Kinder spielenUnd Blätter treiben, tönen Trompeten. Ein Kirchhofsschauer.Fahnen von Scharlach stürzen durch des Ahorns Trauer,Reiter entlang an Roggenfeldern, leeren Mühlen.

Oder Hirten singen nachts und Hirsche tretenIn den Kreis ihrer Feuer, des Hains uralte Trauer,Tanzende heben sich von einer schwarzen Mauer;Fahnen von Scharlach, Lachen, Wahnsinn, Trompeten.

Frühling der Seele

Aufschrei im Schlaf; durch schwarze Gassen stürzt der Wind,Das Blau des Frühlings winkt durch brechendes Geäst,Purpurner Nachttau und es erlöschen rings die Sterne.Grünlich dämmert der Fluß, silbern die alten AlleenUnd die Türme der Stadt. O sanfte TrunkenheitIm gleitenden Kahn und die dunklen Rufe der AmselIn kindlichen Gärten. Schon lichtet sich der rosige Flor.

Feierlich rauschen die Wasser. O die feuchten Schatten der Au,Das schreitende Tier; Grünendes, BlütengezweigRührt die kristallene Stirne; schimmernder Schaukelkahn.Leise tönt die Sonne im Rosengewölk am Hügel.Groß ist die Stille des Tannenwalds, die ernsten Schatten am Fluß.

Reinheit! Reinheit! Wo sind die furchtbaren Pfade des Todes,Des grauen steinernen Schweigens, die Felsen der NachtUnd die friedlosen Schatten? Strahlender Sonnenabgrund.

Schwester, da ich dich fand an einsamer LichtungDes Waldes und Mittag war und groß das Schweigen des Tiers;Weiße unter wilder Eiche, und es blühte silbern der Dorn.Gewaltiges Sterben und die singende Flamme im Herzen.

Dunkler umfließen die Wasser die schönen Spiele der Fische.Stunde der Trauer, schweigender Anblick der Sonne;Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden. Geistlich dämmertBläue über dem verhauenen Wald und es läutetLange eine dunkle Glocke im Dorf; friedlich Geleit.Stille blüht die Myrthe über den weißen Lidern des Toten.

Leise tönen die Wasser im sinkenden NachmittagUnd es grünet dunkler die Wildnis am Ufer, Freude im rosigen Wind;Der sanfte Gesang des Bruders am Abendhügel.

Die Bauern

Vorm Fenster tönendes Grün un Rot.Im schwarzverräucherten, niederen SaalSitzen die Knechte und Mägde beim Mahl;Und sie schenken den Wein und sie brechen das Brot.

Im tiefen Schweigen der MittagszeitFällt bisweilen ein karges Wort.Die Äcker flimmern in einem fortUnd der Himmel bleiern und weit.

Fratzenhaft flackert im Herd die GlutUnd ein Schwarm von Fliegen summt.Die Mägde lauschen blöd und verstummtUnd ihre Schläfen hämmert das Blut.

Und manchmal treffen sich Blicke voll Gier,Wenn tierischer Dunst die Stube durchweht.Eintönig spricht ein Knecht das GebetUnd ein Hahn kräht unter der Tür.

Und wieder ins Feld. Ein Grauen packtSie oft im tosenden ÄhrengebrausUnd klirrend schwingen ein und ausDie Sensen geisterhaft im Takt.

De profundis

Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt.Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht.Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist —Wie traurig dieser Abend.

Am Weiler vorbeiSammelt die sanfte Waise noch spärliche Ähren ein.Ihre Augen weiden rund und goldig in der DämmerungUnd ihr Schoß harrt des himmlischen Bräutigams.

Bei ihrer HeimkehrFanden die Hirten den süßen LeibVerwest im Dornenbusch.

Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern.Gottes SchweigenTrank ich aus dem Brunnen des Hains.

Auf meine Stirne tritt kaltes Metall.Spinnen suchen mein Herz.Es ist ein Licht, das meinen Mund erlöscht.

Nachts fand ich mich auf einer Heide,Starrend von Unrat und Staub der Sterne.Im HaselgebüschKlangen wieder kristallne Engel.

Confiteor

Die bunten Bilder, die das Leben maltSeh‘ ich umdüstert nur von Dämmerungen,Wie kraus verzerrte Schatten, trüb und kalt,Die kaum geboren schon der Tod bezwungen.

Und da von jedem Ding die Maske fiel,Seh‘ ich nur Angst, Verzweiflung, Schmach und Seuchen,Der Menschheit heldenloses Trauerspiel,Ein schlechtes Stück, gespielt auf Gräbern, Leichen.

Mich ekelt dieses wüste Traumgesicht.Doch will ein Machtgebot, daß ich verweile,Ein Komödiant, der seine Rolle spricht,Gezwungen, voll Verzweiflung – Langeweile!

Die schöne Stadt

Alte Plätze sonnig schweigen.Tief in Blau und Gold versponnenTraumhaft hasten sanfte NonnenUnter schwüler Buchen Schweigen.

Aus den braun erhellten KirchenSchaun des Todes reine Bilder,Großer Fürsten schöne Schilder.Kronen schimmern in den Kirchen.

Rösser tauchen aus dem Brunnen.Blütenkrallen drohn aus Bäumen.Knaben spielen wirr von TräumenAbends leise dort am Brunnen.

Mädchen stehen an den Toren,Schauen scheu ins farbige Leben.Ihre feuchten Lippen bebenUnd sie warten an den Toren.

Zitternd flattern Glockenklänge,Marschtakt hallt und Wacherufen.Fremde lauschen auf den Stufen.Hoch im Blau sind Orgelklänge.

Helle Instrumente singen.Durch der Gärten BlätterrahmenSchwirrt das Lachen schöner Damen.Leise junge Mütter singen.

Heimlich haucht an blumigen FensternDuft von Weihrauch, Teer und Flieder.Silbern flimmern müde LiderDurch die Blumen an den Fenstern.

Frauensegen

Schreitest unter deinen Frau‘nUnd du lächelst oft beklommen:Sind so bange Tage kommen.Weiß verblüht der Mohn am Zaun.

Wie dein Leib so schön geschwelltGolden reift der Wein am Hügel.Ferne glänzt des Weihers SpiegelUnd die Sense klirrt im Feld.

In den Büschen rollt der Tau,Rot die Blätter niederfließen.Seine liebe Frau zu grüßenNaht ein Mohr dir braun und rauh.

Winkel am Wald

An Karl Minnich

Braune Kastanien. Leise gleiten die alten LeuteIn stilleren Abend; weich verwelken schöne Blätter.Am Friedhof scherzt die Amsel mit dem toten Vetter,Angelen gibt der blonde Lehrer das Geleite.

Des Todes reine Bilder schaun von Kirchenfenstern;Doch wirkt ein blutiger Grund sehr trauervoll und düster.Das Tor blieb heut verschlossen. Den Schlüssel hat der Küster.Im Garten spricht die Schwester freundlich mit Gespenstern.

In alten Kellern reift der Wein ins Goldne, Klare.Süß duften Äpfel. Freude glänzt nicht allzu ferne.Den langen Abend hören Kinder Märchen gerne;Auch zeigt sich sanftem Wahnsinn oft das Goldne, Wahre.

Das Blau fließt voll Reseden; in Zimmern Kerzenhelle.Bescheiden ist ihre Stätte wohl bereitet.Den Saum des Walds hinab ein einsam Schicksal gleitet;Die Nacht erscheint, der Ruhe Engel, auf der Schwelle.

Psalm

Karl Kraus zugeeignet

Es ist ein Licht, das der Wind ausgelöscht hat.Es ist ein Heidekrug, den am Nachmittag ein Betrunkener verläßt.Es ist ein Weinberg, verbrannt und schwarz mit Löchern voll Spinnen.Es ist ein Raum, den sie mit Milch getüncht haben.Der Wahnsinnige ist gestorben. Es ist eine Insel der Südsee,Den Sonnengott zu empfangen. Man rührt die Trommeln.Die Männer führen kriegerische Tänze auf.Die Frauen wiegen die Hüften in Schlinggewächsen und Feuerblumen,Wenn das Meer singt. O unser verlorenes Paradies.

Die Nymphen haben die goldenen Wälder verlassen.Man begräbt den Fremden. Dann hebt ein Flimmerregen an.Der Sohn des Pan erscheint in Gestalt eines Erdarbeiters,Der den Mittag am glühenden Asphalt verschläft.Es sind kleine Mädchen in einem Hof in Kleidchen voll herzzerreißender Armut!Es sind Zimmer, erfüllt von Akkorden und Sonaten.Es sind Schatten, die sich vor einem erblindeten Spiegel umarmen.An den Fenstern des Spitals wärmen sich Genesende.Ein weißer Dampfer am Kanal trägt blutige Seuchen herauf.

Die fremde Schwester erscheint wieder in jemands bösen Träumen.Ruhend im Haselgebüsch spielt sie mit seinen Sternen.Der Student, vielleicht ein Doppelgänger, schaut ihr lange vom Fenster nach.Hinter ihm steht sein toter Bruder, oder er geht die alte Wendeltreppe herab.Im Dunkel brauner Kastanien verblaßt die Gestalt des jungen Novizen.Der Garten ist im Abend. Im Kreuzgang flattern die Fledermäuse umher.Die Kinder des Hausmeisters hören zu spielen auf und suchen das Gold des Himmels.Endakkorde eines Quartetts. Die kleine Blinde läuft zitternd durch die Allee,Und später tastet ihr Schatten an kalten Mauern hin, umgeben von Märchen und heiligen Legenden.

Es ist ein leeres Boot, das am Abend den schwarzen Kanal heruntertreibt.In der Düsternis des alten Asyls verfallen menschliche Ruinen.Die toten Waisen liegen an der Gartenmauer.Aus grauen Zimmern treten Engel mit kotgefleckten Flügeln.Würmer tropfen von ihren vergilbten Lidern.Der Platz vor der Kirche ist finster und schweigsam, wie in den Tagen der Kindheit.Auf silbernen Sohlen gleiten frühere Leben vorbeiUnd die Schatten der Verdammten steigen zu den seufzenden Wassern nieder.In seinem Grab spielt der weiße Magier mit seinen Schlangen.

Schweigsam über der Schädelstätte öffnen sich Gottes goldene Augen.

Die Ratten

Im Hof scheint weiß der herbstliche Mond.Vom Dachrand fallen phantastische Schatten.Ein Schweigen in leeren Fenstern wohnt;Da tauchen leise herauf die Ratten.

Und huschen pfeifend hier und dortUnd ein gräulicher Dunsthauch wittertIhnen nach aus dem Abort,Den geisterhaft der Mondschein durchzittert.

Und sie keifen vor Gier wie tollUnd erfüllen Haus und Scheunen,Die von Korn und Früchten voll.Eisige Winde im Dunkel greinen.

Ballade

Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand,Eine bleiche Magd da vor ihm stand.Laut sang, o sang das Meer.Sie hielt einen Becher in der Hand,

Der schimmerte bis auf zum Rand,Wie Blut so rot und schwer.Kein Wort ward gesprochen – die Sonne schwand,Da nahm der Narre aus ihrer Hand

Den Becher und trank ihn leer.Da löschte sein Licht in ihrer Hand,Der Wind verwehte drei Zeichen im Sand —Laut sang, o sang das Meer.

Im Osten

Den wilden Orgeln des WintersturmsGleicht des Volkes finstrer Zorn,Die purpurne Woge der Schlacht,Entlaubter Sterne.

Mit zerbrochnen Brauen, silbernen ArmenWinkt sterbenden Soldaten die Nacht.Im Schatten der herbstlichen EscheSeufzen die Geister der Erschlagenen.

Dornige Wildnis umgürtet die Stadt.Von blutenden Stufen jagt der MondDie erschrockenen Frauen.Wilde Wölfe brachen durchs Tor.

Herbstseele

Jägerruf und Blutgebell;Hinter Kreuz und braunem HügelBlendet sacht der Weiherspiegel,Schreit der Habicht hart und hell.

Über Stoppelfeld und PfadBanget schon ein schwarzes Schweigen;Reiner Himmel in den Zweigen;Nur der Bach rinnt still und stad.

Bald entgleitet Fisch und Wild.Blaue Seele‘ dunkles WandernSchied uns bald von Lieben, Andern.Abend wechselt Sinn und Bild.

Rechten Lebens Brot und Wein,Gott in deine milden HandeLegt der Mensch das dunkle Ende,Alle Schuld und rote Pein.

Elis

1

Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.Unter alten EichenErscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.

Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.An deinem MundVerstummten ihre rosigen Seufzer.

Am Abend zog der Fischer die schweren Netze ein.Ein guter HirtFührt seine Herde am Waldsaum hin.O! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.

Leise sinktAn kahlen Mauern des Ölbaums blaue Stille,Erstirbt eines Greisen dunkler Gesang.

Ein goldener KahnSchaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel.

2

Ein sanftes Glockenspiel tönt in Elis‘ Brust —.Am Abend,Da sein Haupt ins schwarze Kissen sinkt.

Ein blaues WildBlutet leise im Dornengestrüpp.

Ein brauner Baum steht abgeschieden da;Seine blauen Früchte fielen von ihm.

Zeichen und SterneVersinken leise im Abendweiher.

Hinter dem Hügel ist es Winter geworden.

Blaue Tauben Trinken nachts den eisigen Schweiß,Der von Elis‘ kristallener Stirne rinnt.

Immer töntAn schwarzen Mauern Gottes einsamer Wind.

Menschliche Trauer

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